Schüler und Lehrer befragen Frau Ostermann Fette - ein persönliches Abschiedsgespräch über Gott und die Welt

Seit dem Jahr 1983 am Mariengymnasium tätig, davon über 20 Jahre als Schulleiterin, hat Frau Ostermann-Fette in den letzten Jahrzehnten das Schulleben am Mariengymnasium maßgeblich geprägt. Vor ihrer Verabschiedung ließ sie ihre Zeit an dieser Schule Revue passieren und kam dabei mit Schülerinnen und Schülern, Benita Golz (8c), Mara Mainusch (8c), Lukas Weigert (EF), Elisa Besiri (Q2), Jakob Geiz (Q2), sowie den Lehrenden Anne Humpert und Franz-Josef Springer ins Gespräch. Dabei war sie bereit, auch persönliche Fragen zu beantworten.

Mara: Wenn Sie zurückblicken auf die vielen Jahre, die Sie schon Lehrerin und Schulleiterin sind, haben sich Ihre Vorstellungen und Hoffnungen, die Sie zu Beginn hatten, erfüllt? 

Frau Ostermann-Fette: Natürlich hatte ich als junge Lehrerin, wie alle jungen Lehrer, Vorstellungen im Kopf, die schnell von der Realität im positiven Sinne eingeholt worden sind. Ich habe junge Menschen erlebt, die meinen Vorstellungen so gar nicht entsprachen. Ich habe ganz schnell gelernt, dass ich mich auf die Vorstellungen der jungen Schülerinnen und Schüler einlassen muss, weil sie eigenständige Menschen mit einer ungeheuren Spontaneität und Behutsamkeit sind. Daher bin ich häufig positiv überrascht worden, nur ganz wenige Male negativ. 

Elisa: Würden Sie sich auch in der heutigen Zeit für das Lehramtsstudium entscheiden?

Frau Ostermann-Fette: Ja, ohne Wenn und Aber. 

Jakob: Würden Sie wieder dieselben Fächer und denselben Weg als Schulleiterin wählen? 

Frau Ostermann-Fette: Ich habe weder bereut Lehrerin und schon gar nicht Schulleiterin geworden zu sein. Das ist ein Beruf, den ich jederzeit wieder anstreben würde, weil er mich sehr erfüllt und sehr gefordert hat und ich ihn auch sehr gerne ausgeübt habe. 

Jakob: Wie haben Sie es geschafft, solch einen intensiven Kontakt zu allen Schülerinnen und Schülern zu halten? 

Frau Ostermann-Fette: Ich habe immer wieder versucht, mit den Schülerinnen und Schülern im Gespräch zu bleiben, mir viele Gedanken über sie zu machen. Für mich stand immer die Begegnung mit ihnen im Vordergrund. Das habe ich niemals als langweilig empfunden. Auch als Erwachsener sollte man Einstellungen überdenken und verändern können. Man sollte darauf achten, dass man offen und interessiert bleibt und letztlich dankbar dafür ist, dass man mit Menschen umgehen darf. 

Lukas: Wenn Sie ihre ganze Zeit am Mariengymnasium mit Sätzen zusammenfassen müssten, welche wären es? 

Frau Ostermann-Fette: Bleibe Philosoph, das wäre mein erster Satz. Man sollte derjenige bleiben, der auf der Suche nach der Wahrheit ist, und nicht daran glauben, sie gepachtet zu haben. Der zweite Satz wäre, bleibe dankbar, weil das alles relativiert. Der dritte Satz wäre, habe Humor. Humor meint mehr als Spaß oder Freude. Es wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Manches ist mit Abstand wirklich ausgesprochen witzig. Das können auch wir Lehrenden leben. Daher ist es gut, wenn ihr uns machmal lachen seht und ich wünschte es euch manchmal noch mehr, dass ihr auch sehen könntet, wie wir uns gegenseitig nicht ernst nehmen. Das ist eine schöne und gesunde Sache. 

Benita: Was war denn Ihr lustigster Moment in den letzten Jahren? 

Frau Ostermann-Fette: Ich habe mich immer gerne mit einem Kollegen, der nicht mehr hier tätig ist, gestritten. Das war Hartmut Vollmer, ein Lehrer für die Fächer Sport und Geschichte. Es kam die Genderfrage auf und wir diskutierten darüber, was Frauen und Männer besser können. Da sagte ich zu ihm, dass Frauen die besseren Männer seien. Da war er im heiteren Sinne so sauer, dass er mich hochgehoben und mitten auf den Lehrerzimmertisch gesetzt hat. Da hatte ich meine Antwort! Das fand ich so heiter! Das war das Witzigste, das ich hier erlebt habe.

Jakob: Haben Sie denn schon Pläne, was Sie mit Ihrer neuen Freizeit vorhaben werden? 

Frau Ostermann-Fette: Wenn man eine Aufgabe niederlegt, wird man ja kein neuer Mensch. All das, was einen bewegt hat, ist ja nicht weg. Der ganze Mensch lebt weiter. Er macht nur einen Teilbereich seiner Tätigkeit nicht mehr. Aber das, was er erlernt hat, bleibt ja. Die Vorstellung ist falsch, dass das Leben danach ein ganz anderes ist. Das ist es ganz bestimmt nicht. Ich werde jedoch andere Dinge mehr pflegen können. In Sachen Schule werde ich mich noch ein wenig umtun, wie auch immer es aussehen mag. Ich werde außerdem im spirituellen Bereich, der so genannten geistlichen Begleitung, tätig sein. Hierin bin ich bereits ausgebildet. Dann kann ich es nicht lassen, auf dem Fahrrad durch alle möglichen Landschaften unterwegs zu sein. Ich freue mich auch darauf, mit meiner Familie mehr Zeit zu verbringen, auch mit den älteren Menschen, die es in unserer Familie gibt. Darüber hinaus male und schreibe ich gerne. Ich bin sehr tierlieb, das ist bekannt. Ich möchte wieder reiten, das habe ich schon mal halbwegs gekonnt. Außerdem fahre ich schrecklich gerne Auto, auch wenn ich mit Blick auf den Klimawandel da unvernünftig bin. Ich kurve einfach gerne herum. 

Herr Springer: Auch gerne sportlich? 

Frau Ostermann-Fette: Ja, sehr gerne. Ich bin technisch sehr interessiert. Ich interessierte mich zum Beispiel für Motoren und ich verstehe sogar ein wenig davon. Wenn ich den KFZ-Technikern gezielt Fragen stelle, fragen sich diese, ob ich dieses Wissen schnell irgendwo nachgeguckt habe. Ich wollte schon immer einmal auf ein Windrad raufgehen, weil es mich technisch interessiert. Es sind technisch gesehen sehr viele Dinge möglich und notwendig, um den Klimawandel aufzuhalten und die Energiewende durchzusetzen. Dazu bedarf es aber der Einsicht der Menschen in technische Details. Auch an Schulen sollte nicht nur politisches, sondern auch technisches Wissen vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler sollten wissen, woran Physiker forschen. Heranwachsende sollten auch mehr tun dürfen, um technische Zusammenhänge zu erkennen, damit Wissen nicht abstrakt bleibt. 

Benita: Gab es denn Momente, in denen Sie ihre Berufswahl angezweifelt haben? 

Frau Ostermann-Fette: Angezweifelt habe ich meine Berufswahl nicht. Aber schmerzlich empfunden habe ich meinen Beruf schon, wenn es zu tragischen Ereignissen gekommen ist. Es ist passiert, dass junge Menschen ihre Eltern oder wir als Schulgemeinschaft Schülerinnen und Schüler, aber auch Kollegen verloren haben. Das sind Punkte, wo man an eine Grenze gerät, dass man nicht weiß, was man sagen und wie man das annehmen soll. Da ist man als Christ ganz schön gefordert. 

Frau Humpert: Das Mariengymnasium ist dir sehr ans Herz gewachsen, wie soll hier in Zukunft das Schulleben aussehen? 

Frau Ostermann-Fette: Ich würde mir wünschen, dass das Mariengymnasium ein Ort der Gemeinschaft bleibt. Es sollte eine Gemeinschaft sein, in der man ernsthaft und wohlwollend über Ziele sprechen kann. Auch in Konflikten sollte man offen bleiben und sich zurücknehmen können. Man sollte auch stolz sein, dass man zu einer Gemeinschaft gehört. Ich hasse Beliebigkeit! Wenn ich etwas mache, mache ich es auch richtig. 

Frau Humpert: Was soll denn das Mariengymnasium den Schülern in Zukunft mitgeben?

Frau Ostermann-Fette: Ganz wichtig ist, dass Schule eine pädagogische Einrichtung bleibt. Sie ist nicht dazu da, der Wirtschaft ausgebildete Schülerinnen und Schüler mit möglichst tollen Kompetenzen zuzuliefern. Da ist zwar auch ihre Bedeutung, aber es ist vor allem wichtig, dass junge Menschen in der Schule lernen, ein anständiger Mensch zu werden. Die Grundlagen hierfür erwirbt man nicht nur im Elternhaus, sondern auch in der Schule. In einer Gesellschaft, die wenig christlich ist, muss man sich eine christliche Grundeinstellung erkämpfen. Man darf auch einmal sagen, dass man als Christ bewusst handelt. Man muss sich nicht dafür entschuldigen, wenn man Dinge ablehnt, weil sie nicht mit dem christlichen Gewissen zu vereinbaren sind. 

Herr Springer: Du bist mehr als 35 Jahre am Mariengymnasium tätig, was wirst du wohl am meisten vermissen? 

Frau Ostermann-Fette: Ich glaube, es sind die Kleinigkeiten, die ich vermissen werde. Sein Leben kann man nicht vermissen, weil man es ja gelebt hat. Ich werde es jedoch vermissen, wenn ich bei voller Musikdröhnung, bei guter und lauter Musik mit vielen Bässen und Schlagzeug, an der Schule ankomme, mit meinem Auto vorsichtig die Zufahrt hinunterfahre und dabei die verschiedenen Schüler sehe. Ich weiß dann jedes Mal, warum ich so früh aufgestanden bin. Das finde ich sehr zufriedenstellend. Außerdem werde ich einige schöne Blicke aus den Fenstern vermissen, auf den Drehkreisel, auf die Gartenhäuschen und auf das Vogelhäuschen, weil ich sehr naturverbunden bin. Ganz bestimmt werde ich den kollegialen Austausch vermissen. Einige immer wiederkehrende Verwaltungstätigkeiten werde ich nicht vermissen. Ich habe jedoch gar keinen Groll, es gibt keine Hitliste der Dinge, die ich nicht mehr tun möchte. 

Benita: Bei uns in der Stufe kam die Frage auf, ob Sie selbst gut in der Schule waren? 

Frau Ostermann-Fette: Es ist ja alles überprüfbar. Ich habe als Abiturientin ein Zeugnis mit einem Schnitt von 1,5 gehabt. Ich mochte mehrere Fächer. Das Unterrichtsfach Französisch habe ich gerne gemacht und hatte es auch als Leistungskurs, Englisch mochte ich und Deutsch sowieso. In Mathematik war ich ordentlich, aber leidenschaftslos. Chemie habe ich gemacht, aber gehasst. Das kann auch Herr Beine ruhig hören. Das waren Zeiten, in denen die Chemie ganz anders vermittelt wurde. Es gab ganz wenige Fächer, die ich nicht gerne gemacht habe. Selbst Sport habe ich gerne gemacht. 

Herr Springer: Mal angenommen, du könntest nun Schulministerin werden. Was würdest du zuerst ändern? 

Frau Ostermann-Fette: Ich würde ganz viel ändern. Auch mit der Umstellung von G8 zu G9 wurde kein großer Reformwurf vollbracht. Ich würde sagen, liebes Gymnasium, du bist sowas von in die Jahre gekommen, du musst dich komplett verändern. Nehmt einen großen Besen und kehrt alles aus, was sich da über die letzten Jahrzehnte hier an Blödsinn gesammelt hat. Öffnet die Klassenzimmer und geht mit den Schülern mehr hinaus ins Leben. Lasst sie mehr erleben, lasst sie mehr sehen, sie mehr praktisch tun. Entrümpelt die Lehrpläne und nutzt die Digitalisierung, um zu neuen Lernformen aufzubrechen. Wissen wird in Zukunft nicht mehr verteilt, sondern geteilt werden. Daher müssen Menschen sich austauschen, einander zuhören und einander wohlwollend begegnen. 

 

Wir bedanken uns auch an dieser Stelle noch einmal für das herausragende persönliche Engagement Frau Ostermann-Fettes für die Schulgemeinschaft des Mariengymnasiums. Über ihre Offenheit in diesem Interview haben wir uns sehr gefreut. Wir wünschen ihr für ihre Zukunft Gottes Segen, Gesundheit und unzählige Momente voll Glück und Zufriedenheit.